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Skalierung für Sozialunternehmen – Wie kann sie gelingen?

Donnerstag, 27. Februar 2020

Im Juni 2019 haben Social Impact und Roots of Impact in Zusammenarbeit mit dem Impact Collective das einjährige Programm Scalerator ins Leben gerufen. Nun blicken wir auf die letzten Monate zurück.

Scalerator unterstützt Sozialunternehmen durch maßgeschneidertes Coaching und Fachwissen, um darauf aufbauend nachhaltig zu skalieren. Beim Programm-Kick-off in Berlin haben die Scalerator-Partner drei Sozialunternehmen als Finalist*innen ausgewählt, von denen sich das Berliner Sozialunternehmen Querfeld final für die Teilnahme am Skalierungsstipendium Scalerator qualifizierte.

Querfeld rettet vom klassischen Handel verschmähtes Obst und Gemüse, indem es die B-Ware direkt von den Bäuer*innen an Kantinen liefert. Dabei steht das Team vor allem den Herausforderungen gegenüber, ein effizientes Logistik-Management sowie die Qualitätssicherung der schnell verderblichen Ware aufzubauen.

Im Gespräch mit Frederic Goldkorn (Gründer von Querfeld) und Kai Hübner (Managing Director des Impact Collective) möchten wir wissen, welche Erfahrungen und Lernprozesse sie aus den letzten Monaten mit in ihre künftige Entwicklung nehmen.

Wähle den richtigen Zeitpunkt

„Wir möchten uns bei Querfeld nicht nur auf krummes Obst und Gemüse fokussieren, da dies schlussendlich auch nur ein Symptom unseres Systems ist. Uns geht es vor allem um eine faire und nachhaltige Lebensmittelversorgung für alle. Das ist auch die langfristige Vision von Querfeld.“, erzählt uns Frederic Goldkorn. Querfeld geht es also primär um eine Veränderung der aktuellen Handelsstrukturen. Denn es gibt viele Aspekte, die in der gegenwärtigen Lebensmittelkette nicht nachhaltig sind. Dazu zählen der Anbau, der Transport, die Lagerung sowie der Verkauf im Handel. Querfeld selbst setzte zunächst bei der Verbindung zwischen Bäuer*innen und Großküchen an: „Wir waren im November 2018 noch drei Leute. Dann sind unsere damaligen Einkäufer dazu gekommen. Wir haben ein Warenwirtschaftssystem eingeführt aber auch begonnen alle unsere Prozesse zu optimieren und zu professionalisieren mit dem Ziel, dass wir das ganze Modell auch skalieren können. Das bedeutet nicht, dass jede*r neue Kunde oder Kundin auch einen zusätzlichen Aufwand bedeutet, sondern dass wir als Beispiel die hundert neuen Kund*innen mit zwei Mitarbeiter*innen abdecken können. Das war genau die Phase, in der wir vor der Bewerbung für das Programm Scalerator waren“, erklärt Frederic.

Bei Querfeld kam damit das Angebot von Scalerator zu einem passenden Zeitpunkt: Ein bereits funktionierendes Geschäftsmodell konnte als stabiles Fundament dienen, um dieses mit der Hilfe von Scalerator weiter auszubauen.

Professionalisiere die nächsten Schritte

Daran hat Scalerator durch die Zusammenarbeit mit dem Impact Collective und externen Expert*innen angeknüpft. „Zu Beginn haben wir uns u.a. angeschaut, welche Themen sich bei Querfeld auf welche Art und Weise bedingen. In erster Linie geht es darum, gemeinsam herauszufinden, was welche zeitliche Priorität hat. Denn viele Faktoren bauen aufeinander auf und beeinflussen einander. Dabei konnten wir sehr klar feststellen, dass zum Beispiel Qualitätssicherung langfristig zwar maßgeblich für die Skalierung sein wird, aber es bei Querfeld an Vertriebsstrukturen und Human Resources noch Handlungsbedarf hat. Daher haben wir binnen der letzten Monate den Fokus auf Sales und auch auf Team-Zuwachs gelegt.“, erklärt Kai Hübner vom Impact Collective. Vor Programmstart hatte Querfeld das Thema Qualitätssicherung als prioritäre Herausforderung definiert. Doch im Rahmen des Scalerator-Programms wurde dem Team bewusst, dass es schwierig ist, an genau diesem Punkt anzusetzen. Denn Querfeld hatte bereits neue Mitarbeitende angestellt und dadurch erste innere Strukturen aufgebaut. Daher nutzen sie nun das Unterstützungsangebot, um sich nochmals zu den Themen Vertrieb und Teamaufbau weiterzuentwickeln. Dennoch wird Logistik- und Qualitätssicherung bei der Skalierung immer eine Rolle spielen. Denn gerade Querfeld hat in der Arbeit mit Obst und Gemüse als frische aber auch verderbliche Ware ein „schnelllebiges Produkt“.

Eine Besonderheit hatte diese Zusammenarbeit im Rahmen des Scalerator-Programms auch für das Impact Collective. Deren Ziel ist es, Menschen und Organisationen dazu zu bringen, gemeinwohlorientiert zu handeln und sich zu einer substanziellen, funktionierenden Organisation zu entwickeln. Kai Hübner ergänzt: „Genau da greifen wir normalerweise ein und begleiten Organisationen auf dem Weg dahin. Idealerweise sind Organisationen mit denen wir zusammenarbeiten, danach an genau dem Punkt, wo Querfeld bereits war, als sie in das Programm eingestiegen sind. Insofern war es sehr spannend zu sehen, wie die Begleitung von Organisationen aussieht, die bereits eine gewisse Reife und Entwicklung hinter sich haben. Querfeld hatte bereits eine relativ stabile Organisation. Vieles hat an Prozessen, Team und Kundenstamm bereits gut funktioniert. Unsere Rolle war es, gemeinsam mit Querfeld die Hebel und Baustellen zu definieren, die mit externer Unterstützung gelöst werden können, um im nächsten Schritt die richtige externe Unterstützung reinzuholen.“

Finde den richtigen Takt für ein erstes Fundament

Um skalieren zu können, haben Querfeld und Impact Collective genau betrachtet, welche Vorgehensweise, Zeitaufwände und Priorisierung der einzelnen Bereiche im laufenden Unternehmensprozess sinnvoll sind. In der Praxis bedeutet das, genau zu definieren, welche Schritte es zu welcher Zeit braucht und zu reflektieren, wo das Team steht. Erst dann kann entschieden werden, ob die geplanten Schritte sinnvoll sind oder nicht.

Bei Scalerator wurde darauf geachtet, dass das Impact Collective durch kontinuierliche Kontaktschleifen ein gutes Gespür dafür bekommt, an welchen Punkten sie aktiv Impulse setzen können und wo das Team mehr Raum und Zeit braucht, sich zu entwickeln. So war vorab etwa nicht absehbar, welche zeitliche Taktung es für die unterschiedlichen Entwicklungsprozesse braucht. Jedes Team agiert unterschiedlich. Zusätzlich lässt das bestehende Tagesgeschäft nicht zu, dass vorab feststeht, welchen Aufgaben oder Situationen in einer gegebenen Woche der Hauptfokus zukommt. Wie schnell unterschiedliche Maßnahmen etabliert werden, um erste Ergebnisse zu erzielen, muss stets mit der Entwicklung abgeglichen werden. „Unser Anspruch in der Zusammenarbeit ist es, nicht etwas auf Druck durchzubrechen, sondern die Monate an Programmlaufzeit und das Budget so einzusetzen, dass es genau den Takt trifft, den Querfeld gerade braucht. Erst dadurch können wir das größtmögliche Potenzial aus unserer Zusammenarbeit rausholen und ein Fundament aufbauen, worauf Querfeld langfristig wachsen kann.“, erzählt Kai Hübner.

Frederic Goldkorn: „Vor Beginn von Scalerator waren wir zum Beispiel unterbesetzt und haben uns gewundert woran es liegt. Wir haben in den letzten Monaten u.a. in den Workshops für Human Resources versucht zu ermitteln, wieso uns vielleicht potenzielle Bewerber*innen noch nicht finden und herausgestellt, was es braucht, um noch mehr als Team zu wachsen. Es ging dabei viel um Sichtbarkeit, eine Bedarfsanalyse unsererseits und aktives Zugehen.“

Übe den Perspektivenwechsel

Ein Blick von außen hat dabei geholfen, explizit zu schauen, welche Hebel und Lösungen es bei Querfeld braucht, um weiter als Unternehmen zu wachsen.Durch Coachings, in u.a. Sales, konnte das Team aus der eigenen „Bubble“ heraussteigen: „Man nimmt schnell etwas als gegeben an. Aber es hat persönlich sehr geholfen, um zu verstehen, was es an Weiterentwicklung braucht. Beim Thema Sales haben wir recht schnell begriffen, dass es anders läuft als man es zunächst angegangen wäre. Vielen Social Startups geht es so, dass sie so von ihrer Idee überzeugt sind oder dafür brennen, dass schnell der Glaube entsteht, dass es auch so funktionieren wird. Aber es braucht trotzdem den aktiven Fokus auf Vertrieb und dafür waren die Workshops gut.“

Folgende Ratschläge geben die beiden anderen Sozialunternehmer*innen:

  • Macht immer wieder sichtbar, was ihr tut und womit ihr Gutes bewirken möchtet!
  • Stellt heraus, welchen gesellschaftlichen Beitrag ihr damit leistet oder was besonders an der Unternehmensidee ist.
  • Es braucht einen festen Ablauf, Struktur und Geduld (sei es im Vertrieb, Teamaufbau o.a.), um eine Routine kontinuierlich zu etablieren.
  • Versteht wie die Menschen denken, die ihr als potenzielle Kund*innen (Vertrieb) ansprechen möchtet.
  • Empfohlene Vorgehensweise, wenn man neu im Bereich Vertrieb ist: Nach ABC-Analyse potenzielle Kund*innen nach Wichtigkeit kategorisieren und priorisieren, dann die Priorisierung umdrehen und mit den C-Kund*innen, also den potentiell herausfordernden oder nicht ganz so wichtigen Kund*innen, als Einstieg für Gesprächsführung und Bedarfsanalyse üben.
  • Macht die Seele des Unternehmens sichtbar (Vision, Werte, Arbeitsfeeling bei euch, Teamstruktur, etc.)!

Ein gemeinsamer Rückblick

„Normalerweise arbeiten wir vor dem Stadium, an dem sich Querfeld zu Beginn befunden hat. Wir hatten damit ein Paradebeispiel in der Zusammenarbeit für Scalerator. Es ist immer wieder toll mit Menschen zu arbeiten, die für etwas brennen. Was wir gelernt haben ist die sich veränderte Rolle als Begleiter je später wir in eine Entwicklungsphase einsteigen. Je später die Phase, je mehr Alltagsgeschäft hat das Sozialunternehmen und je weniger verrückte, unbekannte Dinge ergeben sich. Es wird dadurch berechenbarer und Entscheidungen können gewählter getroffen werden. Das Team weiß genau, was es dann tut und man wählt bewusster mögliche Optionen. Das macht die Coaching-Intensität anders. Das machte Scalerator für uns daher sehr spannend, da wir mit dem Budget andere Kapazitäten einbringen konnten, die sich Social Startups oftmals nicht leisten können. Es gab uns andere Ressourcen an die Hand, die es auch brauchte um den nächsten Wachstumsschritt zu gehen. Einige Baustellen wurden im Prozess erst später begriffen und ermittelt, sodass es jetzt eigentlich erst richtig losgeht.“, erzählt Kai Hübner aus Perspektive vom Impact Collective.

Querfeld: „Uns hat Scalerator sehr geholfen, um unsere nächsten Hebel zu definieren. Mit Blick auf das Coaching könnte dieses auch länger gehen, da es oftmals nach dem Coaching das dreifache an Zeit braucht, um das Erlernte umzusetzen und Neues zu implementieren. Daher ist es sinnvoll, wenn man die Coaching-Möglichkeiten über einen längeren Zeitraum nutzen kann. Das ermöglicht es, noch zielführender zu arbeiten. In der aktuellen Lösung mit weiterführender Unterstützung durch externe, beratende Tätigkeiten wird uns auch über das Programm hinaus weitergeholfen. Wichtig war es generell zu wissen, wo man welche externe Expertise gezielt braucht. Vielen Dank für die Erfahrungen und die Unterstützung durch Scalerator.“

Scalerator ist ein gemeinsames Projekt von Roots of Impact und Social Impact in Partnerschaft mit Impact Collective im Auftrage des EU-Programms der Interreg Central Europe.

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Wir haben die Vision einer gerechten und zukunftsfähigen Gesellschaft von morgen. Deshalb entwickeln wir Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen wie Klimawandel, Fragen der Migration und Integration, Rechtspopulismus oder Stadt-Land-Gefälle. Unser Blog gibt euch Einblicke in unsere Arbeit, in die Erfolge unserer (Social) Startups und hinter die Kulissen. Er zeigt, was uns wichtig ist. Wirft Fragen auf. Gibt Antworten. Unterhält. Und inspiriert. Viel Spaß beim Lesen!