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Wohin soll es gehen?

Mittwoch, 09. September 2020

Die Antwort des BMWi auf unseren offenen Brief ist freundlich im Ton, stimmt den von uns aufgelisteten Problemen zu und verweist auf existierende Maßnahmen zur Absicherung nach der Corona-Krise. Wir gehen auf die einzelnen Punkte ein und setzen uns damit auseinander.

Wir schätzen die ausführliche Antwort des BMMi durch Herrn Müller. Die Einzelmaßnahmen sind sehr zu begrüßen.

Wir möchten jedoch nochmals auf die drohende Erosion des Unternehmertums und somit auch des unternehmerischen Geistes, der für eine funktionierende, gesunde Wirtschaft von Bedeutung ist, hinweisen:

46 Prozent der Social Entrepreneurs sagen, dass sie ihre Unternehmen oder Organisationen unter den gegenwärtigen Bedingungen höchstens noch sechs Monate aufrechterhalten können (https://www.send-ev.de/uploads/factsheet_umfrage.pdf).

25% der Solo-Selbstständigen geben an, dass sie ihr Geschäft in den nächsten 6 Monaten aufgeben müssen (http://ftp.zew.de/pub/zew-docs/ZEWKurzexpertisen/ZEW_Kurzexpertise2008.pdf).

Es ist zu beobachten, dass viele der Probleme über den Sommer hin vertagt wurden (z.B. Insolvenz, Mietstundung, u.a. für Gewerbetreibende). Sie kommen im Herbst und Winter verstärkt wieder.

Des Weiteren gehen wir auf die vom BMWi aufgelisteten Maßnahmen ein.

Zur Übernahme der Betriebskosten und Grundsicherung:

Die Vermeidung der Doppelung der Unterstützungsgelder ist sinnvoll für die Klein- und mittelständischen Unternehmen. Jedoch möchten wir nochmal unterstreichen: Nicht alle betroffenen Kleinstunternehmen und Solo-Selbstständige (welche insgesamt 80,4% der KMU ausmachen) können davon abgefangen werden.

In diesem Fallbeispiel einer Kundin einer unserer Gründungsberatungen wird es deutlich:

Die junge Mutter hat für ihre Gründung den Gründungszuschuss beantragt in der Hoffnung, dass sie ihre Dienstleistung der Personalentwicklung und Unternehmensberatung anbieten kann. Zu der Corona-Zeit hat sie keine Kunden gewinnen können, ihr Gründungszuschuss läuft jedoch aus. Sie hat aktuell keine Einnahmen. Corona Soforthilfe erhält sie nicht, sie hat keine Betriebsausgaben. Sie muss zugleich einen hohen Krankenkassenbeitrag von 416€ zahlen. Weitere Einkünfte werden bei der Beitragsberechnung von der Krankenversicherung mit einbezogen. Dazu gehört auch der Gründungszuschuss. Da ihr Ehemann vom Beruf Lehrer und privatversichert ist, kann sie nicht beitragslos mitversichert werden. Das Gesamteinkommen der beiden liegt ca. um 150€ über der Möglichkeit, ALG II zu beantragen.

Weiterhin sind viele der KU, Solo-Selbstständigen und Gründer*innen verunsichert, da bei dem Antrag auf Grundsicherung Vermögensprüfungen zum Teil weiterhin stattfinden. Die Unsicherheit/Unbeliebtheit dieses Instruments spielgelt sich mitunter bei der Umfrage von SEND e.V. wider (http://ftp.zew.de/pub/zew-docs/ZEWKurzexpertisen/ZEW_Kurzexpertise2008.pdf, S.3).

Zu den zur Verfügung gestellten 2 Mrd. Euro Eigenkapitalfinanzierung:

Die Finanzierung über Eigenkapital beantragen Investoren. Nach einiger Zeit stellte sich heraus, dass die zur Verfügung gestellte Hilfe zu lange nicht ankommt. Unter anderem durch die bürokratischen Hürden sind Investoren zu träge, den Antrag zu stellen (https://www.gruenderszene.de/plus/2-milliarden-euro-frage-startup-corona-hilfen, 14.08.2020).

Die weiteren Hilfen sind Kredite, bei welchen ungewiss ist, inwieweit diese in Zukunft zurückgezahlt werden können. Da die Marktlage in zahlreichen Branchen nicht eingeschätzt werden kann, nehmen viele Kleinstunternehmen das Risiko nicht auf sich.

Zu gestellten Existenzgründungsportalen:

Die Portale www.existenzgruender.de und www.gruenderplattform.de sind ein sinnvolles Instrument, braucht jedoch gerade für verschiedene gesellschaftliche Gruppen eine intensivere Begleitung, um wirkliche Erfolgsfälle zu schaffen. In unserem Forderungspapier haben wir Bedarfe von Frauen, Mirant*innen, Menschen mit Behinderung, älteren Menschen aufgezählt und Maßnahmen vorgeschlagen.

Vor allem würden bei der Umsetzung solcher gruppenspezifischen Fördermaßnahmen langfristig mehrere gesellschaftliche Probleme angegangen werden, unter anderem die Integration, die Inklusion und Förderung von Frauen.

Zu Gründerinnen:

Rund ein Drittel der Neugründer*innen ist weiblich (https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-Gr%C3%BCndungsmonitor/KfW-Gruendungsmonitor-2020.pdf). Die vom Bund aufgesetzte Werbekampagne für das Unternehmertum von Frauen begrüßen wir daher sehr.

Die strukturellen Hindernisse für Frauen sind dadurch leider nicht aus dem Weg geschaffen. Faktoren wie Kindererziehung, vermehrte Teilzeittätigkeit und niedrigeres Gehalt erleichtern nicht den Einstieg in eine Selbstständigkeit, die für die Frauen mit höheren relativen finanziellen Risiken verbunden ist, wie das oben dargestellte Beispiel zeigt.

Damit möchten wir auch auf Social Entrepreneurship verweisen:

Laut SEND e.V. sind insgesamt 50% (!) der Gründer*innen von Sozialunternehmen weiblich. Nicht zuletzt stoßen diese neben Problemen für Frauen auch auf Probleme der Social Entrepreneurs.

Markus Sauerhammer, erster Vorsitzender von SEND e.V., unterstreicht anhand durchgeführter Umfragen der Social Entrepreneurs: „Deutlich wird in den Ergebnissen, dass die bisherigen Corona-Hilfen nicht bzw. unzureichend bei den Social Entrepreneurs greifen. So konnten die KfW-Programme lediglich von 3,2% in Anspruch genommen werden.“ Im Hinblick auf die Finanzierung weist er außerdem darauf hin, dass das Sonderkreditprogramm für gemeinnützige Organisationen „noch nicht von allen Landesförderbanken auf den Weg gebracht“ würde. Insgesamt liege Deutschland bei Rahmenbedingungen und Finanzierungsthemen im internationalen Vergleich weit zurück.

Zum Gründungszuschuss:

Der Gründungszuschuss ist ein wichtiges Instrument, um die in der ersten Phase kommenden Lebenserhaltungskosten mitzudecken, jedoch unterliegt dieser dem Vermittlungsvorrang. Der Vermittlungsvorrang verlangt, dass Bürger mit ALG-Bezug zunächst in abhängige Beschäftigung gehen sollen. Der Gründungszuschuss wird demnach nur sekundär gewährt.

Die Instrumente Gründungszuschuss und Einstiegsgeld nach SGB II misslingen, wenn man sich die Gründer*innen-Zahlen anschaut: Diese stehen, trotz des leichten Anstiegs in 2019, auf einem Rekordtief. Die Förderung des aktiven Unternehmertums in Deutschland zeigt sich somit immer noch als mangelhaft.

FAZIT: MIT LANGFRISTIGER STRATEGIE UND KLEINEN SCHRITTEN DER UNTERNEHMERTUM-EROSION VORGREIFEN

Die Probleme rund um Kleinstunternehmertum und Gründung haben bereits vorher existiert, und werden nun durch die Corona-Krise akut verstärkt. Schon jetzt kommen diese vermehrt an die Oberfläche, d.h. an die Öffentlichkeit.

Wir unterstreichen noch einmal: Es bedarf einer langfristigen durchdachten Strategie, um der drohenden Erosion des Unternehmertums entgegenzuwirken.

Wir fordern die Lockerung des Vermittlungsvorrangs, die Einführung eines Gründer*innen-Bafögs (unabhängig vom Status der Arbeitslosigkeit), die geordnete Regelung zu Sozialversicherungsbeiträgen der Solo-Selbstständigen und KU, sowie eine Ausweitung der Gründungsfördermaßnahmen für einzelne Gruppen (Inclusive Entrepreneurship und Social Entrepreneurship).

Diese Maßnahmen können die drohende Gründungs- und Unternehmer*innen-Erosion abmildern. Sie wirken den Existenz- und Beschäftigungsproblemen entgegen, die mit der steigenden Arbeitslosigkeit kommen werden. Sie erlauben eine langfristige und stabile Stütze für die unter Druck stehende Gründungs-, KU- und Solo-Selbstständigenlandschaft.

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